Liebe Leserinnen, lieber Leser,
im notariellen Bereich sind unsere Notare vielfach mit Fragen einer sinnvollen und zudem steuerlich optimierten Gestaltung bei der Übertragung von Familienvermögen befasst. Ein dabei häufig eingesetztes Gestaltungsinstrument ist der sogenannte Nießbrauch. Nießbrauch ist das Recht, die Nutzungen einer Sache zu ziehen, obwohl man nicht Eigentümer der Sache ist.
Im häufigsten Fall, des Nießbrauchs an einer Immobilie, ist es das Recht, die Immobilie selber zu nutzen oder im Falle der Vermietung die Mieten zu vereinnahmen. Ein Nießbrauch kann aber auch an anderen Sachen oder Rechten bestellt werden, zum Beispiel an einem Wertpapierdepot oder einem Anteil an einer Gesellschaft.
Der Nießbrauch führt damit zu einer Aufspaltung zwischen Eigentum und Nutzung des Eigentums.
Das kann steuerlich unter verschiedenen Gesichtspunkten interessant sein. Zwei interessante Gestaltungen seien hervorgehoben:
1. Eigentumsübertragung unter Nießbrauchsvorbehalt
Angesichts der heutigen Grundstückspreise können schenkungs- und erbschaftssteuerliche Freibeträge schnell überschritten werden. Diese Freibeträge stehen allerdings alle zehn Jahre erneut zur Verfügung.
Hat zum Beispiel die ältere Generation ein vermietetes Haus als Altersversorgung erworben oder selber ererbt, könnte dieses unter Vorbehalt des Nießbrauchs auf die Folgegeneration übertragen werden. Die Folgegeneration würde dann bereits als Eigentümer im Grundbuch eingetragen werden, während die ältere Generation – grundbuchlich gesichert – die Einnahmen aus der Immobilie lebenslang noch behält.
Das hat dann nicht nur den Vorteil, die Zehn-Jahres-Zeiträume gegebenenfalls wiederholt ausnutzen zu können. Der Clou liegt zudem darin, dass schenkungssteuerlich nur der um den kapitalisierten Wert des Nießbrauchs reduzierte Immobilienwert als Schenkung angesehen wird. Damit sind – abhängig von den konkreten Verhältnisses des Einzelfalls – Übertragungen weit oberhalb der steuerlichen Freibeträge möglich.
Das setzt allerdings voraus, dass das Thema frühzeitig angegangen wird. Anders herum: Je älter die übertragende Generation wird, desto geringer sind die Möglichkeiten der Steuerersparnis!
Eine frühzeitige Beratung dürfte daher in jedem Fall sinnvoll sein. Ein Familienvermögen wird in der Regel fast ausschließlich aus versteuertem Geld aufgebaut. Es ist dann ärgerlich, wenn es im Erbfall erneut versteuert wird, obwohl dies vermeidbar gewesen wäre.
2. Zuwendung eines Nießbrauchs
Während die unter Ziffer 1. dargestellte Variante in interessierten Teilen der Bevölkerung zumeist in Grundzügen bekannt ist, führt die Möglichkeit eines sogenannten Zuwendungsnießbrauchs regelmäßig zur Überraschung der ratsuchenden Beteiligten.
Beim Zuwendungsnießbrauch wird nicht die Substanz, also das Eigentum, übertragen und der Nießbrauch (die Nutzungen) vorbehalten, sondern umgekehrt die Substanz behalten und die Nutzungen zugewendet. Warum das? Dazu ein Beispiel: Die Eltern haben zum Beispiel ein aus eigener Erbschaft bereits erworbenes und abbezahltes Mietshaus mit einem monatlichen Mietertrag von € 1.500,00. Die Eltern sind noch im Erwerbsleben und verfügen über ausreichende eigene Einkünfte und zahlen Steuern im Bereich des Höchststeuersatzes. Der Sohn ist 19 Jahre alt und beginnt sein Medizinstudium und wird voraussichtlich noch viele Jahre die Unterstützung der Eltern benötigen oder zur Verbesserung seiner Lebenssituation ergänzend erhalten. Er wird noch viele Jahre über kein relevantes Einkommen verfügen und daher allenfalls einen geringen Steuersatz zahlen.
Durch die Zuwendung eines zeitlich befristeten Nießbrauchs, zum Beispiel für die Dauer von zehn Jahren, werden nun die Einnahmen aus der Immobilie auf den Sohn verlagert. Die Eltern müssen den Sohn fortan nicht mehr aus versteuertem Einkommen unterhalten. Der Sohn verfügt vielmehr über eigene zu versteuernde Einnahmen, nämlich die Mieten aus der Immobilie, die er allerdings dann nur mit seinem äußerst geringen Steuersatz zu versteuern hat. Bei den Eltern fallen diese Einnahmen für die Dauer des Nießbrauchs weg und müssen in dieser Zeit nicht mehr versteuert werden.
In den Details bedarf eine solche Gestaltung natürlich der einzelfallbezogenen Betrachtung unter Einbeziehung des Steuerberaters. Im Grundsatz ist damit jedoch eine Verlagerung von zu versteuernden Einnahmen auf denjenigen / diejenigen Familienangehörigen möglich, die den geringsten Steuersatz bezahlen. Die Schenkung eines Zuwendungsnießbrauchs zum 18. Lebensjahr eines noch in der Schule befindlichen Sohnes / einer Tochter kann den Zeitraum der dadurch möglichen Optimierung nennenswert verlängern. Wenn nur ein Teil der Einnahmen aus einer Immobilie verlagert werden soll, ist dies ebenfalls über einen sogenannten Quotennießbrauch möglich.
Insgesamt zeigen diese kurzen Beispiele, wie sinnvoll es sein kann, frühzeitig über eine Verlagerung von Substanz und Einkommen über die Generationen hinweg nachzudenken und dazu eine sinnvolle Planung zu erstellen und rechtzeitig umzusetzen. Experten schätzen, dass rund 2/3 des Erbschaftssteueraufkommens von den Steuerpflichtigen vermieden werden könnte, wenn sie sich frühzeitig mit der Vermögensplanung beschäftigen würden.
Anwälte, Steuerberater und Notare sind die geeigneten Ansprechpartner, darüber ein Gespräch zu führen und ggf. eine maßgeschneiderte Lösung zu erarbeiten. Je früher desto besser.